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Echte Synodalität: Frauenpriestertum auf der Weltsynode thematisieren

Offener Brief an Papst Franziskus zur Weltbischofsynode 2024

Lieber Bruder Franziskus, „Warum kann eine Frau nicht Päpstin werden?", fragt ein Mädchen bei der Vorbereitung zur ersten heiligen Kommunion. Die Katechetin verweist mit kindgerechten Worten auf die Tradition der Kirche und ihre Lehre. „Dann diskriminiert die Kirche ja Frauen", ist die spontane Antwort eines weiteren Mitgliedes der Kommuniongruppe.

Dies ist eine alltägliche Situation in vielen europäischen Ländern und bei zahlreichen anderen „christlichen Völkern“ (Pacem in terris Nr. 22). Die Frage stellen nicht nur Kinder, sondern viele erwachsene Katholikinnen und Katholiken. Sie sollte von der Kirche ernst genommen werden. Jedenfalls in einer Weltsynode, die sich das "Zuhören" zum Ziel gesetzt hat. Schliesslich entsteht die Frage nicht aus einem Geist der Feindschaft, sondern aus Liebe zum Glauben und aus Liebe zur Kirche.

Das Ignorieren der Frage bedeutet, die Artikulationsmöglichkeit des sensus fidei von Klerus und Gläubigen grosser Kulturen aus der Synodalität auszuschliessen. Dagegen wenden wir uns mit diesem Offenen Brief.

Wir wissen: Die römisch-katholische Kirche steht vor grossen Herausforderungen und Problemen. Die Welt ist im Umbruch und unsere Kirche muss sich - ohne ihren Glaubenskern zu verlieren - dieser Entwicklung stellen. Dies führt schon seit einigen Jahren zu heftigen Kontroversen in der Kirche. In vielen regionalen Kirchen wie auch in der Weltkirche haben diese Kontroversen Wunden geschlagen. Um die Wunden zu heilen, gibt es nur eine Lösung: Praktizierte Communio im lebendigen und offenen Dialog. Die Weltsynode 2021 - 2024 schafft dafür zu Recht Platz.

Heilung gelingt nur, wenn die Weltsynode auch eine dringliche und wichtige Frage wie die Zulassung der Frauen zum Priestertum aufgreift.

Wie Du, Bruder Franziskus, sind wir der Auffassung, „dass wir nicht nur in einer Zeit der Veränderungen leben, sondern vielmehr in einer Zeitenwende, die neue und alte Fragen aufwirft, angesichts derer eine Auseinandersetzung berechtigt und notwendig ist“ (Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 29.6.2019).

Mit diesem Vorschlag für die Weltsynode möchten wir Dir auf einem Weg folgen, der uns „zur Suche nach einer freimütigen Antwort auf die gegenwärtige Situation ermuntert“ (ebenda). Erlaube uns zur Begründung unseres Vorschlages folgende Bemerkungen.

1. Das Frauenpriestertum - ein aktuelles katholisches Thema

Seit dem Beginn des Zweiten Vatikanum steht das Frauenpriestertum auf der kirchlichen und gesellschaftlichen Tagesordnung. Mit der ersten öffentlichen Frauenweihe der „Donau Sieben“, die 2002 kirchenrechtswidrig erfolgte, begann eine Entwicklung, aus der bis heute etwa 300 Frauenpriesterinnen contra legem hervorgegangen sind. Aktivitäten (Gemeindeleitung u.a. in Amazonien) und Zeugnisse (s. Philippa Rath, Weil Gott es so will) vieler Frauen bekunden ihre Berufung zum Priesteramt.

Flankiert wird diese Entwicklung von einer Vielzahl von Organisationen, die sich für die Frauenweihe einsetzen. „Wir sind Kirche“ und offizielle katholischen Laienvertretungen sind nur die öffentlichkeitswirksame Spitze dieses Eisberges in Europa. Weltweit gibt es viele ähnliche Initiativen, die über das Thema debattieren - auch wenn sie häufig weniger hörbar sind als in Europa und in den USA. Auch Bischöfe erachten dieses Thema für relevant. So betonte 2022 der römisch-katholische Missionsbischof Erwin Kräutler CPPS nachdrücklich die Notwendigkeit der Frauenordination  (Zeitschrift der Deutschen Jesuiten "Stimmen der Zeit", März 2022, S.163-169). Er tat es auch im Hinblick auf die Berufung seiner (inzwischen verstorbenen) leiblichen Schwester Ermelinde, die bereits jahrelang in Österreich als Pastoralassistentin seelsorglich tätig war. „Immer wieder fragte sie mich“, schreibt Bischof Kräutler: „Warum, um Gottes willen, bin ich von der Priesterweihe ausgeschlossen? Nur weil ich eine Frau bin?“ - „Nun ist sie tot, aber ihre Frage brennt mir auf dem Herzen ...Warum dürfen Frauen nicht geweiht werden? Bis heute fand ich keine Antwort, die mich überzeugen könnte. Und ich weiß, es gibt keine wirklich überzeugende Antwort“.

2. Ordinatio sacerdotalis: kein Grund zum Schweigen

Als Papst Johannes Paul II. 1994 in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis mit Nachdruck die Frauenweihe verwarf, erklärte er abschliessend, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (OS Nr. 4).

„Endgültig“ heisst selbstredend nur solange, bis die lehramtliche Auffassung sich ändert, was bekanntermassen immer wieder erfolgt. Solche Änderungen der Lehre sind nicht nur real, sondern auch wichtig, da sie die Zeichen der Zeit in die kirchliche Lehre und in einen lebendigen Glauben transformieren. Auch die derzeitige Lehre ist Ergebnis solcher Änderungen.

Vorher ist es für jeden Christen nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht, an diesen Änderungen mitzuwirken. Das kann durch eigene Reflexion, aber auch durch öffentliche Diskussion geschehen. Wer loyal auf eine Änderung der Lehre hinwirkt, beachtet die kirchliche Lehre und handelt ihr nicht zuwider. Wer offen über das Frauenpriestertum redet oder es für gut heisst, spricht nicht de doctrina lata, sondern de doctrina ferenda, nicht über die derzeitige Lehre, sondern über die zukünftige. Er befolgt die kirchliche Lehre, auch wenn er Zweifel an ihr äussert.

3. „Im Hören auf die Heilige Schrift“

Päpste kommen und gehen. Nur die Bibel bleibt. Was aber sagt die Bibel zur Frauenweihe? Die Auffassungen dazu sind kontrovers. Aber die Bibel ist keineswegs so ablehnend, wie die Kirche es erscheinen lässt.

Die höchste Autorität der Bibelauslegung, die päpstliche Bibelkommission befand bereits 1976: Das Neue Testament fälle keine Entscheidung über die Ordination von Frauen zum Priestertum und folglich könne kein Verbot von Priesterinnen aus neutestamentlichen Aussagen herausgelesen werden; auch werde der Heilsplan Christi durch die Zulassung der Frauenordination nicht überschritten oder verfälscht.

Zu Recht thematisiert das vatikanische Vorbereitungsdokument für die Weltsynode „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ das „Hören auf die Heilige Schrift“ (Kapitel III) als zentrales Element einer synodalen Kirche. Es fordert das „gemeinsame Hören auf den Geist“ und verweist dabei auf Jesus:

„In einer Weise, welche die Zeugen überrascht ..., nimmt Jesus all diejenigen als Gesprächspartner an, die aus der Menge heraustreten: er hört sich die leidenschaftlichen

Einwände der kanaanäischen Frau an (Mt 15,21-28), die es nicht akzeptieren kann, dass sie vom Segen, den Er bringt, ausgeschlossen wird“ (Vorbereitungsdokument S. 13).

4. Synodalität in Aktion: „Frei und offen sprechen“ Eine synodale Kirche „geht gemeinsam“ und lädt demzufolge alle dazu ein, „mit Mut und Freimut zu sprechen“ (Vorbereitungsdokument S. 20). Das ist heute in der römischkatholischen Kirche nicht selbstverständlich. Vielerorts ist es nicht möglich, weil die Freiheit dazu innerkirchlich unterdrückt wird.

In den europäischen Ländern ist die freie Meinungsäusserung in jüngerer Zeit viel leichter geworden. Wer heute beispielsweise die Debatte über die Frauenweihe normativ für beendet erklärt, gehört innerkirchlich zu einer Minderheit. Wer sie zu unterbinden versucht, trifft auf wirkmächtige innerkirchliche, gesellschaftliche und rechtliche Widerstände. Er wird - auch als Hirte - kaum noch ernst genommen, weil er mit der Verweigerung der Debatte christliche Werte diskreditiert (vgl. Pacem in terris Nr. 7) und damit den Niedergang der Kirche beschleunigt.

In vielen Ländern vor allem ausserhalb Europas ist dies anders. Wer dort offen über das Frauenpriestertum spricht, ja es zukünftig für erstrebenswert hält, muss Sanktionen wie den Entzug der Missio oder sonstige arbeits- und dienstrechliche Einschränkungen fürchten. Solche innerkirchlichen Sanktionen von freien Meinungsäusserungen über die zukünftige Lehre der Kirche sind absolut inakzeptabel. Sie müssen unbedingt aufhören.

Die Weltsynode sollte mit einem guten Beispiel voran gehen, indem sie eine Debatte zum Frauenpriestertum offen führt. Damit würde die Kirche aktiv christliche Werte verteidigen, die in vielen Ländern unverändert von einigen Bischöfen grob missachtet werden.

5. Vorschlag für die Weltsynode

In tiefer Sorge um die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der katholischen Kirche in unseren Ländern und in weltkirchlicher Mitverantwortung für die Heilung der durch Schweigen und Ablehnung entstandenen Wunden, erachten wir es als dringlich und wichtig, die Debatte über das Frauenpriestertum in der römisch-katholischen Kirche auf der Weltsynode 2024 zu ermöglichen und offiziell vorzusehen - eine Debatte, die

- offen ist für jeden - für Laien und Kleriker -,

 - offen ist für alle Inhalte und

- offen ist für alle Ergebnisse.

Die Zeit ist reif. Eine Weltsynode, die sich heute nicht für eine Debatte über das Thema Frauenpriestertum in unserer Kirche öffnet, hätte ihren eigenen Anspruch verfehlt.

Wir wünschen der Kirche den Mut, die Zeichen der Zeit zu erkennen und gemeinschaftlich in den heilenden Austausch zu gehen - also wirklich syn-odal zu sein.

Hochachtungsvoll in Christus verbunden

Sr. Susanne Schneider München, Missionarin Christi, Sprecherin „OrdensFrauen für MenschenWürde“

Herbert Bartl Brunn/Österreich, Sprecher „Priester ohne Amt“

Helmut Schüller Wien, Obmann „Pfarrerinitiative“ Österreich

Harald Niederhuber Wien, Vorsitzender „Die Laieninitiative“

Dr. Martha Heizer Absam/Österreich, Vorsitzende „Wir sind Kirche“ Österreich

Claus Geißendörfer London, Implementation Team „Spirit Unbounded“

Dr. Odilo Noti Zürich, Präsident der „Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche“

Max Stetter Augsburg, Pfarrer i.R., Sprecher „Pfarrer-Initiative Deutschland“

Ursula Bauer, Angelika Kneisel, Altfrid Norpoth, Gerhild Pinkvoss-Müller „Maria 2.0 Deutschland“

Christian Weisner Dachau/München, Sprecher „Wir sind Kirche“ Deutschland

Mentari Baumann Luzern, Geschäftsführerin Steuergruppe „Allianz Gleichwürdig Katholisch“

Simone Curau-Aepli Luzern, „Schweizerische Katholische Frauenbund“ SKF

Dr. Stephan Rohn Köln, Redaktion dieses Briefes, Blog „Frauenweihe.Jetzt.“

 

 

 

 

Foto: by Wir sind Kirche